Sehma, vulgo die Sehm oder Sähm

Ein Pfarrkirchdorf mittlerer Größe im königl. sächs. Erzgebirge, wo es dem Amte Grünhain wegen des Nebenamtes Schlettau unmittelbar unterworfen ist. Dazu kam es in Folge des Tauschvertrages, nach welchem 1413 Friedrich von Schönburg dem Kloster Grünhain für seine Besitzungen im tieferen Böhmen (denn Sehma lag damals dicht an Böhmen) die Pflege Schlettau überließ. Nachdem 1367 von Karl IV. ausgestellten, und nach 1413 vom Kaiser Sigismund bestätigten Privilegien durfte auch Sehma ohne alle Abgaben seine Lebensbedürfnisse aus Böhmen ziehen. Im Jahre 1536 wurde es durch Väcularisation des Klosters ein Grünhainer Amtsdorf.

Sehma liegt am gleichnamigen Flüßchen, den es seinen Namen verdankt, 3 Stunden ostsüdöstlich von Grünhain, 1 Stunde von Annaberg und 1/2 Stunde von Buchholz gegen Süden, (die sogenannte graue Halde, vom ehemal. starkem Bergbau herrührend , macht die Grenze) 1 Stunde südöstlich von Schlettau, 1 1/4 Stunden östlich von Scheibenberg, an den Wegen von Schlettau nach Jöhstadt, von Annaberg nach Neudorf, und von Buchholz nach Wiesenthal - in einem tiefen, jedoch weit geöffneten, ziemlich milden und sehr angenehmen Thale - von 1750 bis zu 1850 pariser Fuß über dem Meere, am oberen Ende grenzt es heute mit Cranzahl zusammen, und dehnt sich in etwas geschwungener im ganzen jedoch nördlicher Richtung fast 3/4 Ml. lang aus.

Sehma hat überhaupt in etwa 90 Häusern gegen 680 Bewohner, so daß es eine starke Bevölkerung zeigt, 1801 wurden 526 Konfiermanten angegeben. Sie nähren sich theils mit der Landwirtschaft, da sie eine große, keineswegs unfruchtbare Dorfflur besitzen, besonders vortrefflichen und viel Flachs bauen, und wegen der starken, herrlichen Wiesen gute Viehzucht treiben, theils mit Waldarbeit, mit Beeren- und Schwämme lifern, mit Getreide- und Broterhandel, mit Landfuhrwesen, mit Nagelschmieden u.s.w., theils endlich mit Klöppeln und Spinnen.

Für Vervollkommnung der Spinnerei des Klöppelgarns legte der Bürgermeister Eisenstuck zu Annaberg (einer der stärksten Spitzenherrn seiner Zeit) eine Spinnschule allhier an, und seitdem liefert Sehma zum theil Klöppelzwirne, der den feinsten holländischen kaum nachsteht.

Mit der Schule ist zugleich eine Spinnfabrik verbunden, aus welcher die Spinnerinnen westpfälisches Garn zum Spulen erhalten, das gespult kommet dann auf die vom Wasser getriebene Zwirnmühle, welche das Zwirnen verrichtet, und wobei nur 2 Mädchen acht haben, daß sie nicht den Faden zereiße oder sonst Fehler mache.

Sehma liefert auch feine Spitzen, welche besonders von Annaberg aus dabitirt wurden, doch gibt es auch im Orte einige Spitzenhändler, und die hübschen Wohnungen derselben, so wie einiger Kauflaute, Frachtfuhrleute u.s.w. gaben dem Dorfe ein gefälliges, wohlhabendes Ansehen.

Vor Annabergs Gründung ging eine Hauptstraße von Chemnitz durch den buchholzer Grund über Sehma und den Kühberg (Bärenstein) nach Preßnitz in Böhmen.

Ehedem gab es in Sehma zwei Schmelzhütten, welche aber die ungeheure Fluth vom 21. Juli 1565 gänzlich ruinierte, diese rührte von einem zwischen Crottendorf und Neudorf niedergegangenen, fast beispiellos starken Wolkenbruchs her, wobei die Sehm wohl 5 Ellen sich anschwoll.

Eine besondere Art zu bleichen findet man hier, indem dazu gleichsam Pulte (wie die Treibbrete) angerichtet sind, auf welchen die Stücke ausgespannt werden, und so die Sonnenstrahlen fast gänzlich aufnehmen, wodurch natürlich das Geschäft beschleunigt wird.

Die Kirche, welche 1666 gebaut wurde (vorher war Sehma nach Schlettau gepfarrt) klagt wesentlich unter der Mitte des Altars, und ist unansehlich, in dieselbe ist noch Cunersdorf gepfarrt, so daß die Parachie noch an 1000 Seelen begreift. Sie gehört zur Annaberger Inspection, und die Collatur dem Kirchenrath.

In 2 Jahren, 1815 und 1816 zählte man 69 Geburts- und 52 Todesfälle; 1791 zählte man 34 Geborene und 25 Gestorbene; 1819 von jenen 45, von diesen 21; und 1108 Communicannten, deren 1713 = 1561 gewesen waren.

Die Pfarrwohnung ist zwar alt, aber geräumig und wohlgebaut, auch mit einem beträchtlichen Gute versehen.

Das Erbgericht steht im Niederdorfe. Nicht weit oberhalb der Kirche findet man eine schöne, neuerbaute Mahl- und Schneidemühle, wo wegen des vorbeigehenden, vom Müller angelegten trefflichen Weges Geleite erhoben wird., dabei ist auch ein Lufthaus auf einem ganz originellterrasierten Hügel.

Noch giebt es einen Zaynhammer im Oberdorfe und 2 Mühlen hier, und diese haben mit jener 4 Mahlgänge und 2 Sägen.

Drei Häuser von Sehma, sämtlich mit Feld versehen, liegen über 1/2 Stunde entfernt vom Dorfe, südöstlich von der Kirche, meist mit Wald umgeben, der von hier an ununterbrochen bis nach Bärenlog, bei Wiesenthal reicht. Unter denselben zeichnet sich das nördlichste besonders aus, theils durch seine Größe, nach welcher es vielmehr wie ein Wasserwerk, als wie ein Bauerngut ausschaut, theils durch seine schöne Bauart, da z.B. das Wohnhaus, überhaupt eleganten Aussehens, auch ein Thürmchen mit einer Schlaguhr und Blitzableiter trägt. Diese Gut, nach seinem Besitzer Königslust genannt, dient im Winter zum Vereinigungspunkt für Schlitten-Gesellschaften nicht nur aus Annaberg u.a. nahen, sondern auch entferrntern Orten.

Bei Königslust, dessen Meereshöhe gegen 2200 pariser Fuß beträgt, entspringt aus mehreren ansehlichen Teichen ein Bach, welcher auf seinem südwestlichen Laufe ein ödes Waldthal durchfließt, und in Cranzahl die Sehm erreicht, der wichtigste Theil dieses Waldes bedeckt den Rabenberg.

Etwa 1000 Schritt über Königslust liegt der neue schöne Gasthof von Bärenstein, nebst dem Zollhause Berghäusel; letzteres gehört unmittelbar unter das Kreisamt Schwarzenberg, wird aber im gemeinen Leben "das Bärensteiner Zollhaus" genannt. Andere Häuser dieses Dorfes beginnen noch näher an Königslust im Süden.

Diese genannten 3 Güter fehlen auf den gewöhnlichen Charten, so wie der ansehliche Wald zwischen dem Dorfe und Königslust, welcher wegen des sonstigen starken Bergbaues wohl nennenswerth ist.

Nach Buchholz hin schließen starke ,Wälder das lange Thal der Sehma ein, und an den Bergeshängen zum theil sehr ansehliche Felsklippen.

Quelle:
Vollständiges Staats- Post- und Zeitungslexikon von Sachsen, von A. Schumann,
Elfter Band, Zwickau 1824, Seite 62.
Archiv der Bergakademie Fbg.

Abgeschrieben 1960/61
in Freiberg/Sachs.
von Wolfgang Döhnel

1993 übereignet an
Peter Klaus Süß